Revolution CD-ROMs
Revolution CD 1
Revolution CD 2
Revolution CD 3
Revolution CD 4
Revolution CD 5
Revolution CD 6
Revolution CD 7
Revolution CD 8
Revolution CD 9
Revolution CD 10
Immer häufiger zieren Computer die Schreibtische und Wohnstuben von Leuten, die sich noch vor ein paar Jahren nie und nimmer so ein 'Ding' hingestellt hätten. Warum? Computer sind mittlerweile sehr einfach zu bedienen und enorm leistungsfähig. Die Kommunikation mit den klassischen Homecomputern der späten 70er, frühen 80er Jahre erfolgte in der Programmiersprache BASIC, meist wurden sogar BASIC-Befehle verwendet, um wiederum Programme zu laden und zu starten. Auch Charlie [FN1] brachte den geplagten Anwendern kaum Besserung: die Interaktion mit dem Rechner erfolgte nun nicht mehr in BASIC, sondern eben in Form englisch-sprachiger Anweisungen, die auch nicht verständlicher waren. Zwar hätte das Orwell-Jahr [FN2] eine neue Ära einleuten können, aber der äußerst hohe Preis verhinderte zunächst den Einzug des Apple Macintosh in den Markt erschwinglicher Geräte.Jenseits des langsam anschwellenden mainstream, in den Rechenzentren von Forschungseinrichtungen und Hochschulen, hatte sich indes ein Betriebssystem etabliert, das die Steuerung des Computers mittels textueller Befehlseingaben zur Kunstform erhob: UNIX. Dessen größter Vorteil, die schier unglaubliche Flexibilität (die erreicht wird, indem man zum Beispiel vergleichsweise einfache Befehle durch vom Betriebssystem angebotene Dienste zu komplexeren Konstrukten verbindet), blieb auch sehr lange dessen gewichtigster Nachteil: ein reines UNIX-System ohne grafische Oberfläche ist auch für einen sehr ambitionierten Anwender nur schwer in den Griff zu bekommen.
Sie fragen sich jetzt sicher, was das alles mit Ihnen und Ihrem Atari zu tun hat. Scheinbar nicht viel, denn dank GEM sind eben keine kryptischen Befehle in der Form copy A:\*.* C:\ nötig, um die Daten von Diskette A: auf Laufwerk C: zu kopieren. Und doch möchte ich Ihnen in dieser Serie Dinge näher bringen,
die Ihre Arbeit mit dem Rechner bequemer machen, obwohl wir uns mit Techniken befassen werden, mit denen Sie bislang möglicherweise nicht in Berührung
gekommen sind. Gegenstand dieser Serie ist MiNT, eine Betriebssystemerweiterung des Kanadiers Eric R. Smith. Wir werden uns
Konzepte und Techniken, die dieses Programm in die 'TOS-Welt' eingeführt hat,
ansehen, und ausloten, wie der Anwender von ihnen profitiert. Obwohl der Anwender-Aspekt im Vordergrund stehen wird, werden sich technische Details nicht immer vermeiden lassen. Fachtermini werde ich grundsätzlich in Fußnoten kurz definieren. Der geneigte Leser sollte hier nur im Hinterkopf behalten,
daß viele dieser Begriffe durchaus auch für Aufsätze in der Länge dieses Artikels gut sind. Und noch eine kurze Bemerkung: diese Einführung bietet Ihnen kaum Möglichkeiten, praktisch tätig zu werden. Ich darf Ihnen aber
versichern, daß wir das in den kommenden Folgen nachholen werden. Lassen Sie
mich diesen Einstieg dazu nutzen, Sie etwas mit der Materie vertraut zu machen, falls Sie MiNT bislang nicht kennen.
Mit MiNT werden eine Reihe neuer Dienste zur Verfügung gestellt und etliche
Beschränkungen des Systems aufgehoben. Wir haben es aber weiterhin mit TOS zu
tun, wenn auch eines mit einer Menge neuer, UNIX-artiger Funktionen und Fähigkeiten. Allerdings werde ich die Ihnen jetzt nicht aufzählen, sondern Sie vielmehr darauf hinweisen, wenn wir im konkreten Anwendungsfall davon Gebrauch machen. Nun sind diese neuen Systemdienste für einen Programmierer zwar eine wundervolle Spielwiese, ob indes der Anwender auch davon profitiert, hängt davon ab, ob sinnvolle Applikationen entwickelt werden, die
von den neuen Fähigkeiten auch tatsächlich Gebrauch machen. Leider trifft dies auf die klassischen Atari-Anwendungen (noch) in nur sehr begrenzten Maße zu. Dies hat damit zu tun, daß ein recht weit verbreitetes System, MagiC und dessen Reinkarnationen MagiC Mac und MagiC PC, keine geeignete Grundlage für MiNT bildet (um genau zu sein, ist ein Start von MiNT auf diesen Systemen im
Moment - wenn überhaupt - nur sehr bedingt möglich), und die durch MiNT eingeführten Dienste erst spät - und leider auch unvollständig - nachgebildet wurden. Warum dennoch eine schier unglaubliche Zahl an Tools und Anwendungen existiert, die von MiNT profitieren bzw. ohne diese Systemerweiterung auf Ataris gar nicht lauffähig wären, soll nun geklärt werden.
Wie bereits eingangs erwähnt, hatte das Betriebssystem UNIX vor allem im Hochschulbereich sehr schnell eine große Beliebtheit erreicht. Im Laufe der Jahre entstand eine Vielzahl ausgezeichneter, auf dieses System ausgelegter, Programme, die fast ausschließlich frei verfügbar sind. Eine vielleicht etwas merkwürdig anmutende, aber enorm angenehme Tatsache ist, daß diese Software meist in Form von Quelltexten veröffentlicht wird. Die Verbreitung erfolgt zumeist über das Internet, auch Diskussionen über diese Software wird mittels Internet-Diensten abgewickelt. Natürlich stellt sich hier die Frage, wie uns als Atari-Anwender die Verfügbarkeit von UNIX-Software nützen kann. Zwar wird ein Atari durch das Starten von MiNT nicht zu einer UNIX-Maschine, erhält aber Fähigkeiten, die diese Software benötigt, und ohne die eine Portierung um einiges schwerer, wenn nicht sogar unmöglich wäre. Auf der anderen Seite reduziert sich eine Portierung dank MiNT und einiger anderer Programme praktisch auf das Compilieren [FN3] des Quelltextes. Aber ich hör' Sie schon stöhnen, wann fängt er denn endlich an, wann geht es endlich los. Nun denn, ein bißchen Praxis soll es auch im ersten Teil sein...
Es existieren mindestens 3 sogenannte MiNT-Distributionen; bei allen Unterschieden ist ihnen gemeinsam, daß sie versuchen, ein UNIX-artiges System zu realisieren, wobei der Schwerpunkt auf einer möglichst exakten Nachbildung des Originals liegt.
In dieser Artikelserie soll ein anderer Ansatz gewählt werden, frei nach dem Motto "soviel GEM wie möglich, und soviel UNIX-Feeeling wie nötig".
Zunächst gilt es, 3 Gruppen unter einen Hut zu bekommen. N.AES- und MultiTOS-Anwender haben MiNT zwangsläufig schon auf ihrer Platte, bleiben Anwender des TOS ohne Multitasking-Erweiterungen. Diese sollten sich zunächst MiNT besorgen. Aber auch die beiden erstgenannten werden über kurz oder lang bestimmte Software brauchen (und sei es nur eine neue Version des MiNT- Kerns); wer Zugriff auf das Internet hat, kann sich die relevanten Archive direkt via ftp[FN4] besorgen, das meiste ist sicher auch in gut sortierten Mailboxen zu finden.
Ziemlich viel von dem, was wir im Laufe dieser Serie benötigen werden, findet sich aber auf der CD 'Complete MiNT' [FN5], der vermutlich bequemste Weg, sich die Software zu besorgen.
Die folgenden Zeilen richten sich in erster Linie an Leute, die bislang nicht mit MiNT gearbeitet haben. N.AES-Anwender sollten sich in jedem Fall eine aktuelle MiNT-Version besorgen und diese installieren; bitte beachten Sie, grundsätzlich vor Arbeiten am System, Sicherungskopien von wichtigen Dateien wie der MINT.CNF anzufertigen, um nicht ein lauffähiges System zu ruinieren.
Zunächst brauchen wir also MiNT selbst. Besitzer der 'Complete MiNT' finden ein passendes Archiv (die Version 1.12H6 ist sehr aktuell) im Verzeichnis \KERNEL\FREEMINT. Legen Sie bitte zunächst irgendwo (es sollten schon 2 - 3 Megabyte frei sein) einen Ordner mit beliebigen Namen an und kopieren Sie dorthin die Datei FM112_6B.GZ. In dieses Verzeichnis kopieren Sie bitte ferner die Dateien GZIP.TTP und TAR.TTP aus \ARCHIVER. Nach einem Doppelklick auf GZIP.TTP müßte die von Ihnen erwendete Shell, also zum Beispiel NEWDESK, Gemini oder Thing, einen Dialog mit einer Eingabezeile öffnen. In diese Zeile tippen Sie bitte folgendes ein: -d FM112_6B.GZ
Nach dem Drücken von Return müßte das Archiv entpackt werden. Ihr Verzeichnis
enthält nun anstelle von FM112_6B.GZ die Datei FREEMINT.TAR. Bevor wir ein
MiNT in Händen halten, müssen wir noch TAR.TTP starten; dies geschieht analog zu GZIP.TTP, allerdings geben wir in die Eingabezeile -xf FREEMINT.TAR ein.
Nach einer Weile wurde das Verzeichnis MINT-1.12 angelegt. Verschieben Sie
dies bitte in das Wurzelverzeichnis auf Ihrem Boot-Laufwerk, also normalerweise C:\ und benennen es anschließend in MULTITOS um. Wenn Sie möchten, können Sie die beiden .TTPs zunächst löschen, da wir sie aber bald
wieder brauchen werden, ist es wahrscheinlich sinnvoll, sie zunächst in den gerade in MULTITOS umbenannten Ordner zu kopieren. Das zuallererst angelegte
Verzeichnis, das eigentlich nur noch FREEMINT.TAR enthalten sollte, können
Sie jetzt löschen. Bevor wir MiNT das erstemal in Aktion sehen können, sind nur noch ein paar Aktionen nötig. Zunächst muß die Datei MINTNP.PRG (sie
sollte sich jetzt in C:\MULTITOS befinden) in den AUTO-Ordner (also normalerweise C:\AUTO) verschoben werden. Ferner benennen wir die Datei MINT.CNF (die Version, die in FM112_6B.GZ enthalten war, ist eigentlich eher eine Beschreibung) in MINTCNF.BAK um und legen stattdessen eine eigene an.
Da wir MiNT nur kurz antesten wollen, genügt es, wenn unsere MINT.CNF eine Zeile enthält, die so aussehen könnte:
echo starte MiNT
Wenn Sie die Datei abgespeichert haben (C:\MULTITOS\MINT.CNF) können wir den Rechner neu starten. Da MiNT als letztes Programm im AUTO-Ordner liegt, werden wir ziemlich spät die Copyright-Meldung und unseren Text aus der MINT.CNF sehen. Ansonsten werden Sie zunächst von MiNT wenig merken. Aber melden Sie doch einfach das Laufwerk U: in Ihrer Shell an und gucken sich das Inhaltsverzeichnis an.
Mit diesen ersten Eindrücken möchte ich den ersten Teil dieser Artikelserie beschließen. Im 2. Teil werden wir MiNT vernünftig installieren und uns erste wirklich sinnvolle Anwendungen der neu hinzugekommenen Funktionen ansehen.
Dazu gehören nachladbare Dateisysteme und sogenannte symbolische Links, mit denen wir etwas mehr Ordnung in unseren Computer bekommen werden.
Selbstverständlich freue ich mich über 'Fanpost'. Wer Anregungen, Wünsche
bezüglich des weiteren Kursfahrplans oder natürlich auch Kritik loswerden möchte, darf mir gerne schreiben. Natürlich geht das am kostengünstigsten und schnellsten via electronic mail.
Ansonsten wünsche ich Ihnen eine gute Zeit und hoffe Sie zum zweiten Teil wieder begrüßen zu dürfen.
[FN1] 1982: Einführung des 'IBM-PC'
[FN2] 1994: Apple bringt den Macintosh; die Anspielung auf das Buch George Orwells geht auf die Firma selbst zurück, in Form eines mittlerweile legendären Werbe-Spotts, in dem die Befreiung vom Joch IBMs zelebriert wird
[FN3] aus einem Quelltext, zum Beispiel in der Programmiersprache C, wird ein ausführbares Programm generiert
[FN4] ftp ist ein Akronym für 'File Transfer Protocol' und bezeichnet ein Protokoll zur Übertragung von Date(ie)n zwischen 2 Computersystemen
[FN5] The Complete Atari-MiNT CD, zu beziehen über delta labs media